Mehr Frauen auf die Bühne

Drei Dinge gibt es viel zu selten auf der Welt: Frieden, guter Journalismus bei der Springerpresse und Frauen auf der Kabarettbühne. Während ich bei den ersten zwei Sachen die Hoffnung aufgegeben habe, sollte doch zumindest in der großen Kunst alles möglich sein. Oder?


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Das Problem: Ja, es gibt weibliche Kabarettistinnen. Sie haben mit "Ladies Night" eine eigene Sendung im Fernsehen. Und immer mehr Veranstalterinnen und Veranstalter versuchen die vielen tollen Kolleginnen auf ihren Spielplan zu setzen. Reicht das? Mitnichten. Denn wer spricht, wenn es darum geht, die aktuellen politischen Themen auf die Bühne zu heben? Die männlichen Kollegen. Das parteienpolitische Kabarett ist fast ausschließlich eine Männerdomäne. Eine weibliche kabarettistische Perspektive auf das politische Geschehen gibt es praktisch nicht und auf Nachwuchsveranstaltungen und Kabarettwettbewerben deutet überhaupt nichts darauf hin, dass diese Szene auf absehbare Zeit durch neue, mutige Kolleginnen aufgemischt wird. Sicher mag das zum Teil daran liegen, dass die weibliche Art Kabarett zu machen oftmals eine andere ist. Und nicht jeder Mensch findet es erstrebenswert, Witze über das Politische zu machen.


Es gibt aber auch eine nicht unerhebliche Zahl handfester Gründe, warum es so wenig politische Künstlerinnen in unserem Genre gibt. Und die Hälfte dieser Gründe kann ich als Mann vermutlich nicht mal annähernd angemessen nachempfinden, aber das soll kein Grund sein, es nicht ändern zu wollen. Und, oh Wunder, viele dieser Beobachtungen decken sich mit den generellen gesellschaftlichen Entwicklungen im Umgang mit Frauen:


- Es gehört viel mehr Mut dazu, sich als Frau auf die Bühne zu stellen und über Politik zu sprechen. Sie sind viel angreifbarer, da sich Kritik selten auf das Gesagte bezieht. Frauen werden bei seriösen Themen häufiger als schrill oder hysterisch wahrgenommen. Zudem haben als attraktiv geltende Darstellerinen auf der Bühne oft damit zu kämpfen, bei politischen Themen überhaupt ernst genommen zu werden. Sonstiges Bullshitbingo, um ihre Autorität in gesellschaftlichen Themen in Frage zu stellen: Zu hohe Stimme, zu dick, zu dünn, zu weiblich, zu männlich, zu derb, zu lieb, zu schlau, zu...


- Immer wieder gibt es Fälle von sexistischen Veranstaltern. Mal wird eine sexy Abendgarderobe eingefordert, oft sind es unangenehme Sprüche und auch Übergriffe sind dokumentiert. Für unser tägliches Brot kommen wir an dem Kontakt mit Veranstaltern aber eben nicht vorbei, also sollte ihre Machtposition nicht unterschätzt werden. Und eine Negativerfahrungen zuviel und schon ist der schönste Beruf der Welt mit Angst behaftet.


- Auch das Publikum hat mit seinem Verhalten einen Anteil. Es gibt genug Fälle von aufdringlichen männlichen Zuschauern, die dafür sorgen, dass Künstlerinnen nach ihren Auftritten unangenehme Gespräche haben und in komischen Situation gedrängt werden. Quasi wie in der U-Bahn angequatscht zu werden, nur die Typen sind noch schmieriger und verheirateter.


- Natürlich fehlen in diesem männerdominierten Feld auch die Netzwerke. Die überwiegende Zahl von Veranstaltungen wird von Männern moderiert. Und Männer laden eben mehrheitlich Männer ein und längst steckt nicht immer böser Wille dahinter. Viele stört diese veraltete Struktur, aber ohne Idee wirklich etwas anders zu machen gibt es Veränderungen leider viel zu langsam. 


- Die ZuschauerInnen müssen eben auch hingehen, wenn es mal eine politische Künstlerin in den Spielplan schafft. Und VeranstalterInnen sollten sich immer einmal mehr fragen, ob es da nicht doch eine Nachwuchskünstlerin gibt, die es sich lohnt auf die Bühne zu holen.
 

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Der Plan: Im Rahmen meines Solos "Die netten Jahre sind vorbei" möchte ich regelmäßig Nachwuchskünstlerinnen auf der Bühne präsentieren, ihnen eine überdurchschnittliche Gage bieten und bei Bedarf einen professionellen Regisseur stellen. Der Wunsch hierbei ist, nicht nur eine weitere Auftrittsmöglichkeit zu schaffen, sondern vielmehr Künstlerinnen bei ihrem Einstieg in die Kabarettszene zu helfen und Unterstützung anzubieten. Dabei sollen auch Netzwerke für junge Künstlerinnen entstehen, sich gegenseitig zu unterstützen und die vielen (unsichtbaren) Barrieren abzubauen. Ich kämpfe vor allem im Bereich des parteienpolitischen Kabaretts, weil ich dort das größte Missverhältnis im Kabarett sehe und weil es eben die einzige Disziplin ist, in der ich mich meine ein wenig auszukenne. Und vor allem, weil ich es für unsagbar wichtig halte, dass es endlich normal wird, Frauen auf Bühnen über Politik und Gesellschaft sprechen zu hören.


(Unterstützt werde ich hier von dem Fonds Darstellende Künste e.V. zum Neustart Kultur)


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Die Perspektive: Ich suche selbst noch nach der richtigen Form, aber es wäre toll, wenn alle Menschen, denen auch etwas daran liegt, mithelfen und sich mit mir Gedanken machen, wie wir das politische Kabarett weiblicher, hoffentlich diverser und weniger sexistisch machen. Ich setze dabei vor allem auf Sichtbarkeit, junge KünstlerInnen müssen vor allem spielen, spielen und nochmals spielen. Im Kabarett fehlen uns noch genügend positive Vorbilder, da sind Lesebühnen und Poetry Slams schon Lichtjahre voraus. Mittelfristig träume ich davon, ein mehrtägiges Seminar für Kabaretttalente auf den Weg zu bringen, um NachwuchskünstlerInnen eine echte Einstiegshilfe in die Kleinkunst zu geben: Mit handwerklichen und inhaltlichen Tipps und Übungen von etablierten Profis der Branche. Ein Vorbild könnte hier die Musikbranche mit der renommierten Celler Schule sein.


Noch eine Bitte: Gebt mir Bescheid, wenn ich hier in meinem Versuch etwas Positives und Notwendiges für die Kabarettszene zu tun danebenliege oder Menschen vor den Kopf stoße. Das hier ist bisher mehr ein Herantasten, aber mit dem klaren Wunsch sich einzubringen und wirklich Dinge zu verändern. Wer mithelfen möchte, meldet sich bitte ebenfalls bei mir.

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